Interviewfragen zur Neuorientierung des I&B-Bereichs Salvador-Bahia
Besucher*innen der Bibliothek des Goethe-Instituts Salvador-Bahia konnten bereits in den vergangenen drei Jahren spannende Neuerungen in den gro�z�gigen R�umlichkeiten beobachten: Neben den altbekannten Regalen mit B�chern zur deutschen Sprache und Kultur, deutsche und ins Portugiesisch �bersetzte Werke deutscher Autor*innen und audiovisuellen Medien und den Tischen, die zum ruhigen Lesen und Arbeiten einladen, entstand mit Hilfe eines sehr aktiven Teams der sogenannte Makerspace.
Makerspaces sind offene R�ume, in denen Menschen kreativ an physischen Objekten arbeiten. Es sind R�ume f�r neue Ideen und Do-it-yourself-Projekte. Der Makerspace, auch FabLab (Fabrication Laboratory) genannt, ist sozusagen der �Hobbykeller� des digitalen Zeitalters.
Diese Umwandlung f�llt in eine Phase, in der die Goethe-Institute weltweit ihre Informations- und Bibliotheksbereiche neu denken und zu modernen und innovativen Orten des Austausches, Lernens und Vermittelns weiterentwickeln.
Zum neuen Konzept am Goethe-Institut Salvador-Bahia geben Sven Mensing (Leiter der Informationsdienste Region S�damerika) und Ute Engelke (Bereich Information& Bibliothek, Goethe-Institut Salvador-Baia) Auskunft:
- 1. Wie sieht das neue Raumkonzept aus und welche Angebote wird es dort geben?
Ute Engelke:
Der Raum wird in verschiedene Zonen und Bereiche aufgeteilt, die manchmal einen flie�enden �bergang haben, manchmal auch, aufgrund der angedachten Nutzung, klar abgegrenzt sind. Wir bieten mit dem neuen Raumkonzept eine gute Mischung aus Unterhaltung, Experimentieren, Produzieren, Pr�sentieren, Lernen und Entspannen. Dies kann man sowohl individuell als auch in kleiner Gruppe nutzen.
Sven Mensing:
Die Ausstattung erm�glicht einerseits das Gestalten und Machen mit den H�nden in der physischen Welt als auch das Programmieren und Designen in der digitalen Umgebung. Besonders hervorheben w�rde ich den VR-Bereich, wo man in verschiedene virtuelle Welten eintauchen kann bzw. auch selbst geschaffene 3D-Welten testen kann. Im sogenannten Aquarium wird man keine Fische z�chten oder angeln k�nnen, daf�r bietet dieser Raum aber beste Voraussetzungen f�r die Produktion und Edition von Fotos und Videos sowie Tonaufnahmen. Wer also gerne mal einen Podcast machen, ein Erkl�rvideo f�r Youtube oder einen witzigen Reel f�r TikTok bearbeiten m�chte, ist hier am richtigen Ort!
Ute Engelke:
Der Fokus des Raumkonzepts liegt auf dem Makerspace, der mit 3D-Drucker, Lasercutter, Halter CNC, elektronischen Bauk�sten, aber auch Werkzeug zum Bearbeiten diverser Materialien ausgestattet ist. Hier finden die Workshops statt.
Sobald man den Nachweis erbringt, die Werkzeuge und Maschinen ordnungsgem�� benutzen zu k�nnen, gibt es die M�glichkeit, auch au�erhalb der geplanten Zeitr�ume f�r Aktivit�ten die individuelle Nutzung anzumelden und eigene Projekte zu realisieren.
Zus�tzlich zur Gesamtstruktur regt das Team mit seinen Lernmethoden die Entwicklung von Autonomie, Selbstvertrauen und kritischem Denken an, f�rdert die F�higkeit, Probleme zu l�sen und Aktivit�ten, die sich auf den Protagonismus junger Menschen konzentrieren. Dies f�hrt zu engagiertem und motiviertem Handeln der Workshop-Teilnehmenden.
- 2. Wie lange arbeiten Sie schon an dem neuen Konzept und welche Erfahrungen haben Sie damit schon gemacht?
Sven Mensing:
An dem Konzept wurde sehr lange gearbeitet und es ist auch weiterhin ein Work-in-Progress! Innerhalb des Netzwerks der Goethe-Institute weltweit gibt es nur wenige, vergleichbare Konzepte, so dass wir hier durchaus Neuland betreten und dies somit auch von einem gewissen Experimentiercharakter gepr�gt ist.
Mit dem KreativLab - oder Makerspace oder Co-Working-Space oder FabLab (�Fabrication laboratory�) - wollen wir eine andere Idee des Lernens, des Austauschs, des Miteinanders verfolgen. Klassischerweise sind Bibliotheken Orte des Lernens mit und durch Medien, haupts�chlich mit B�chern. Wir sind uns jedoch sicher, dass diese Orte, zumal als Teil einer Kultureinrichtung, zuk�nftig weniger medienorientiert und daf�r viel st�rker auf Menschen und die Interaktion zwischen ihnen ausgerichtet werden m�ssen. Das bedeutet nicht, dass die Medien verschwinden, das wird auch bei uns nicht passieren, aber sie haben nicht mehr diese Dominanz! Man wird im Institut auch weiterhin eine kleine Auswahl an B�chern finden, die sowohl die Themen begleiten, die wir mit unseren Angeboten ansprechen (Nachhaltigkeit in all seinen Auspr�gungen) als auch den Kontakt zur deutschen Kultur, speziell Sprache und Literatur erm�glichen.
Ute Engelke:
Leider hat uns die Pandemiezeit bei der Umsetzung und dem Ausprobieren etwas aufgehalten! Der Makerspace steht seit Mitte 2021 zur Verf�gung. Die ersten Aktivit�ten wurden ob der Pandemie online und in Kooperation mit den K�nstler*innen des Residenzprogramms Vila Sul mit dem Thema Nachhaltigkeit realisiert. Danach haben wir zun�chst mit einzelnen Workshops angefangen und den Makerspace bei verschiedenen Besuchen vorgestellt.
Wir sind eine offene Werkstatt, ein Labor und da f�r alle, die etwas �machen� wollen, nach dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe. W�hrend der �ffnungszeiten k�nnen alle zu uns kommen und an ihrem Projekt arbeiten. Wir unterst�tzen gern, das bedeutet das wir durch Denkanst��e Hilfestellung leisten und zur Nutzung der Werkzeuge und Hilfsmittel anregen. Wenn einem die Idee zu einem neuen Projekt fehlt, dann helfen wir auch hier gern nach und werden zum inspirierenden Ideengeber!
Wir bieten auch organisierte Workshops an, in denen wir in der Gruppe Themen erarbeiten oder eine Pr�sentation halten. Hier gibt es immer viel Wissen, das wir teilen!
Wir wollen, dass dieser Raum insbesondere auch von privaten und nicht-kommerziellen Initiativen aus der Zivilgesellschaft aktiv genutzt wird. Ab diesem Jahr konzentrieren wir uns haupts�chlich darauf, ein regelm��iges Programm an Aktivit�ten in diesem Bereich zusammen mit Partnern zu entwickeln.
- 3. Wie bettet sich das neue Konzept in die Arbeit der anderen Abteilungen, also des Programm- und Sprachbereichs?
Sven Mensing:
Kern der Programmarbeit des Instituts ist die Residenzarbeit der Vila Sul. Hierbei kommen regelm��ig und f�r jeweils einen bestimmten Zeitraum Kreativschaffende und K�nstler*innen aus dem globalen S�den und aus Deutschland zusammen. Thematisch stehen dabei die Themen �Afrikanisches Erbe / Postkolonialismus�, �Nachhaltigkeit� und �Stadtentwicklung� im Vordergrund. Die Resident*innen arbeiten zu diesen Themen in ihren jeweiligen, oft interdisziplin�r abgelegten Arbeitsfeldern vor Ort in Salvador und lassen sich von der kulturellen Szene der Stadt und der Natur in der Umgebung inspirieren.
Residenzprogramm und KreativLab haben daher eine enge thematische Verbindung. Wir denken, dass es f�r beide Seiten, also sowohl Resident*innen als auch Maker, ein gro�er Gewinn ist, mit dem KreativLab einen Ort des Austauschs zu haben und zugleich auch kreative Ideen und Ans�tze prototypisch realisieren zu k�nnen.
Ute Engelke:
F�r den Sprachbereich bietet unser Makerspace die M�glichkeit, neue Instrumente kennenzulernen und diese im Unterricht einzusetzen. Dies wurde bereits mit Workshops f�r die Kursleiter*innen erfolgreich erprobt, weitere sollen folgen. Warum nicht ein Thema als interaktive Unterrichtseinheit im KreativLab stattfinden lassen? Auch Besuche von Partnerschulen (PASCH) sind wieder eingeplant. Hier sehen wir eine gro�e Chance, Interesse an der deutschen Sprache und an Deutschland als Kompetenz neuer Technologien und Studienm�glichkeiten zu wecken.
- 4. Das Goethe-Institut Salvador-Bahia hat Anfang Februar seine B�cherausleihe eingestellt. K�nnen interessierte Leserinnen und Leser nun keine deutschen B�cher mehr lesen?
Sven Mensing:
Die Betreuung und Weiterentwicklung der Angebote im KreativLab erfordern unsere besondere Aufmerksamkeit. Und auch wir werden hier jeden Tag Neues lernen! Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das Spektrum des Angebots einer Bibliothek zu Gunsten dieser Besonderheit anzupassen. Die Buch- und audiovisuellen Medien stehen bis auf weiteres zur pr�sentischen Nutzung in den R�umlichkeiten zur Verf�gung. Man kann also weiterhin zu den �ffnungszeiten vorbeikommen und im Lesebereich der Bibliothek oder im gem�tlichen Ambiente des Innenhofs die Medien nutzen.
In einem zweiten Schritt werden wir das Profil des physischen Medienbestands dahingehend sch�rfen, dass es den Bedarfen des KreativLab entspricht, aber dennoch auch ausgew�hlte, aktuelle Belletristik pr�sentiert. Verbunden damit ist die �bergabe der Medien, die wir nicht mehr im Goethe-Institut bereitstellen, an das Bibliothekssystem der UFBA.
Dazu sind wir derzeit mit den Verantwortlichen dort im Kontakt und wollen diesen Prozess bis zur Jahresmitte abschlie�en. Danach werden diese Medien sukzessive �ber die Bibliothekseinrichtungen der UFBA zur Nutzung bereitgestellt.
Nicht unerw�hnt bleiben soll, dass wir auch in Zukunft mit der Onleihe, der digitalen Bibliothek, ein thematisch sehr breites elektronisches Medienangebot zur Verf�gung stellen, welches Materialien zum Deutsch lernen und �ben, deutsch-sprachige Zeitungen und Zeitschriften und eBooks mit belletristischer und Sachliteratur aus und �ber Deutschland umfasst! Und selbstverst�ndlich zeigen wir auch weiterhin Interessentinnen und Interessenten, wie man sich dort anmeldet, recherchiert und die eMedien nutzen kann.
- 5. Welche Literatur wird es im Pr�senzbestand geben?
Ute Engelke:
Unser Pr�senzbestand wird ausgew�hlte Themenkomplexe der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO anbieten, zum Beispiel nachhaltige Stadtentwicklung, Gleichstellung und Inklusion. Au�erdem eine Auswahl an didaktischen Medien zum Erlernen der deutschen Sprache und Kennenlernen Deutschlands, Kinder- und Jugendb�cher, Sachb�cher zur aktuellen Weltlage, Kunst und Design, Comics und Storytelling sowie auch Handb�cher und Literatur �ber die im Makerspace angewandten Techniken.
Nat�rlich wird auch eine Auswahl an Klassikern in deutscher und portugiesischer Sprache zu finden sein, ebenso die Werke aktueller brasilianischer Autoren und Autorinnen. F�r sie bietet die Kleinkunstb�hne auch in Zukunft Platz f�r Buchver�ffentlichungen, Debatten und Inszenierungen.
- 6. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ute Engelke
Auf den Tag des Offenen Instituts im Mai, wo wir dem breiten Publikum den Raum und die Angebote �ffentlich pr�sentieren werden! Und auf eine hohe Nachfrage zur Nutzung unserer R�umlichkeiten bei jungen Erfinder*innen und Initiativen aus Salvador, die an nachhaltigen Konzepten f�r die Zukunft arbeiten.