�bersetzerin Scilla Forti
Den Geist f�r Vielfalt �ffnen

�Je komplexer eine Sprache ist, desto mehr begeistert mich dieser Prozess�, sagt Scilla Forti �ber ihre T�tigkeit als literarische �bersetzerin. Als �Stamm�bersetzerin� des Verlages Keller Editore �bersetzt sie regelm��ig deutschsprachige Werke ins Italienische, etwa Mariana Lekys �Was man von hier aus sehen kann� oder Ewald Arentz� �Der gro�e Sommer�. Sie verr�t uns, was sie an dieser Arbeit begeistert, welche Herausforderungen damit einhergehen und wieso die �bersetzungsf�rderung des Goethe-Instituts dabei so wichtig ist.
Von Sina Bahr
Was fasziniert Sie an der deutschen Literatur? Warum �bersetzen Sie vornehmlich aus dem Deutschen ins Italienische?
Forti: F�r mich ist das �bersetzen in erster Linie eine sprachliche Angelegenheit. Deshalb hat mich die deutsche Sprache immer zuerst in ihrer Form fasziniert, so anders als die des Italienischen, aber gerade deshalb so anregend. Es macht mir Spa�, den Originaltext zu �entschl�sseln� und dann zu versuchen, ihn bestm�glich ins Italienische zu �bertragen. Je komplexer eine Sprache ist, desto mehr begeistert mich dieser Prozess. Die Liebe zur deutschen Literatur ist eine direkte Folge davon: Die Literatur ist die h�chste Form des sprachlichen Ausdrucks, und daher finde ich dort, was ich brauche!
Muss Ihnen ein Buch gefallen, damit Sie es gut �bersetzen k�nnen?
Forti: Nicht unbedingt. Ich habe immer das Gl�ck gehabt, hochwertige B�cher zu �bersetzen, aber vielleicht h�tte ich als �gew�hnliche Leserin� einige der Titel, die ich �bersetzt habe, nicht in Betracht gezogen, weil sie weit von meinem Geschmack oder meinen pers�nlichen Interessen entfernt sind oder weil ihr Stil nicht mein Fall ist. Dennoch glaube ich, dass es mir immer gelungen ist, mit dem Text in Einklang zu kommen, gerade wegen meiner Liebe zur deutschen (und italienischen) Sprache: Unabh�ngig von Stil und Inhalt macht es mir Spa� und gibt mir Ansporn, mich damit zu besch�ftigen.
Wahrscheinlich gibt es nichts Un�bersetzbares, eine L�sung l�sst sich immer finden, aber in solchen F�llen braucht man Initiative und fast eine Neusch�pfung.
Scilla Forti
Was ist die gr��te Herausforderung beim �bersetzen eines Buches?
Forti: Mir fallen viele Beispiele ein: Wortspiele, un�bersetzbare Begriffe, Mehrdeutigkeiten, soziokulturelle Bez�ge, die ein italienischer Leser oder eine italienische Leserin nicht verstehen w�rde. Wahrscheinlich gibt es nichts Un�bersetzbares, eine L�sung l�sst sich immer finden, aber in solchen F�llen braucht man Initiative und fast eine Neusch�pfung.
Und hier stellt sich die Frage: Wie weit kann ich mich vom Originaltext entfernen? Jenseits der einzelnen Beispiele denke ich, dass die generelle Schwierigkeit des �bersetzens darin besteht: Das Gleichgewicht zwischen Treue und Klarheit zu finden, den Text verst�ndlich zu machen, ohne ihn zu entstellen. Mit anderen Worten, die Verantwortung gegen�ber dem Autor oder der Autorin mit der Verantwortung gegen�ber den Leser*innen in Einklang zu bringen.
Arbeiten Sie dabei mit der Autorin oder dem Autor zusammen?
Forti: Normalerweise stehen wir nicht direkt in Kontakt. H�chstens habe ich gelegentlich �ber die beiden Verlage � den italienischen und den deutschen/�sterreichischen � einige Fragen weitergeleitet, wenn es um Inhaltsfragen ging, die ich nicht eigenst�ndig l�sen konnte.
Nur einmal hatte ich direkten Austausch mit einer Autorin, die von Anfang an bereit war, alle meine Fragen zu beantworten. Und nat�rlich habe ich die Gelegenheit ergriffen! Da es sich um ein sehr dramatisches und schmerzhaftes autobiografisches Buch handelte, mit Ausz�gen aus Tageb�chern, Beschreibungen von Fotos und vielen anderen intimen Details, wollte ich sicherstellen, dass ich die Realit�t der Ereignisse maximal respektierte, und in einigen F�llen h�tte ich das ohne die direkte Beteiligung der betroffenen Person nicht tun k�nnen. Ich habe ihr also mehrere Fragen per E-Mail geschickt und von dort aus hat alles begonnen. Sie hat mir n�tzliche Informationen geliefert, um bestimmte Ereignisse zu kontextualisieren oder zu kl�ren, und sie war eine wirklich unsch�tzbar wertvolle Quelle.
Gibt es ein Genre, das Sie besonders gerne �bersetzen, und eines, mit dem Sie sich schwerer tun?
Forti: Bis jetzt habe ich B�cher �bersetzt, die sich sehr �hnlich im Genre waren: Ich w�rde sie alle als zeitgen�ssische Fiktion bezeichnen, denn selbst die autobiografischen hatten einen starken narrativen Charakter. Ich denke, dass dies der Bereich ist, in dem ich am besten arbeite. Vor Kurzem hatte ich auch die Gelegenheit, mich in wissenschaftlicher Sachliteratur zu versuchen, aber ich glaube, dass dies ein Bereich ist, in dem ich weniger gl�nze, da er nicht viel sprachliche Kreativit�t erfordert, was ich f�r eine meiner St�rken halte. Ich habe noch nie spezifische Genres wie Liebesromane, Krimis oder Thriller �bersetzt, auch keine Kinder- und Jugendliteratur, aber man soll niemals nie sagen!
Wie gelingt es Ihnen, den pers�nlichen Schreibstil vom Deutschen ins Italienische zu �bertragen und ist das �berhaupt immer m�glich?
Forti: Es sei denn, es handelt sich um sehr experimentelle Werke, glaube ich, dass das immer m�glich ist. Nat�rlich gehen einige Feinheiten verloren, aber die allgemeine stilistische und tonale Ausrichtung kann absolut �bertragen werden. Mein Ansatz ist sehr instinktiv. Ich verwende keine speziellen Techniken, sondern tauche direkt in den Text ein und versuche zun�chst, jeden noch so kleinen Aspekt des Werks zu �imitieren�, indem ich mich so eng wie m�glich an den Schreibstil halte, selbst wenn dies bedeutet, dass die �bersetzung etwas �steif� wirkt.
In den folgenden Durchg�ngen entferne ich mich dann allm�hlich davon, aber am Ende der ersten Fassung habe ich den Schreibstil des Autors oder der Autorin bereits verinnerlicht, so dass es mir nat�rlich erscheint, aus seiner oder ihrer Perspektive zu denken. Nach Hunderten von Seiten denke ich, dass dies unvermeidlich ist!
Das mag trivial klingen, aber ohne �bersetzungen w�ren viele Leser*innen von einem enormen literarischen Erbe ausgeschlossen.
Scilla Forti
Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht das �bersetzen von Literatur in andere Sprachen?
Forti: Das mag trivial klingen, aber ohne �bersetzungen w�ren viele Leser*innen von einem enormen literarischen Erbe ausgeschlossen, und was w�re ein Land, das sich darauf beschr�nkt, nur in seiner eigenen Sprache entstandene Werke zu ver�ffentlichen? Das �bersetzen von Literatur aus anderen L�ndern bedeutet, sich zwischen Themen und Stilen zu bewegen; historisch-kulturelle Realit�ten kennenzulernen, zu denen wir keinen Zugang h�tten, es sei denn, wir w�rden jeden Ort bereisen; sich mit dem Fremden auseinanderzusetzen und zu lernen, keine Angst davor zu haben; den Geist zu �ffnen und die Vielfalt anzunehmen.
Welche Rolle spielt die �bersetzungsf�rderung des Goethe-Instituts bei Ihrer Arbeit?
Forti: Die �bersetzungsf�rderung des Goethe-Instituts hat es mir erm�glicht, zu Honoraren zu arbeiten, die �ber dem Marktdurchschnitt liegen. Das hat mir wiederum erlaubt, in Ruhe zu �bersetzen, ohne mich mit zu viel Arbeit zu �berlasten, wie es manchmal passiert, wenn die Honorare niedrig sind. Doch jenseits des wirtschaftlichen Aspekts und der individuellen Vorteile f�r die zugewiesenen �bersetzer*innen ist das Programm wertvoll f�r die Verbreitung mutiger Werke, die ohne die F�rderung des Goethe-Instituts m�glicherweise Schwierigkeiten h�tten, ihren Platz in Italien zu finden.
K�nnen Sie uns von einer besonders sch�nen Erfahrung im Rahmen Ihrer T�tigkeit als �bersetzerin erz�hlen?
Forti: Eine der sch�nsten Erfahrungen war vor einigen Jahren eine kleine Tour an Schulen in der italienischen Schweiz, die ich gemeinsam mit der Autorin Irena Bre�n� gemacht habe. Ihr Buch ist das allererste, das ich �bersetzt habe, daher habe ich noch heute eine besondere Bindung dazu. Au�erdem war ich damals noch sehr jung, weshalb es f�r mich eine sehr pr�gende und lehrreiche Erfahrung war. W�hrend dieser Mini-Tour hatte ich die M�glichkeit, mehrere Tage mit Irena zusammen zu sein, sie auch pers�nlich kennenzulernen, und Meinungen mit Sch�ler*innen �ber die �bersetzung des Buches auszutauschen, wodurch ich ebenfalls viel gelernt habe.
Welcher Titel aus der deutschsprachigen Literatur, den Sie �bersetzt haben, hat Sie besonders begeistert?
Forti: Ich habe eine starke Zuneigung zu �Was man von hier aus sehen kann� von Mariana Leky, weil es einen Wendepunkt in meiner Karriere markiert hat. Aber wenn ich an ein Buch denke, das mich wirklich begeistert hat und das ich jedem empfehlen w�rde, dann w�re es �Der Zopf meiner Gro�mutter� von Alina Bronsky. Ich f�hle eine nat�rliche Verbundenheit mit dieser Autorin, besonders wegen ihres einzigartigen Humors, der hier noch st�rker zum Ausdruck kommt als in ihrem fr�heren Buch �Baba Dunjas letzte Liebe�. Ich war seit den ersten Seiten in Harmonie mit ihrem Stil, fast m�helos, und es ist wundersch�n, wenn so etwas passiert.